Alternativer Kneipenbericht zur Auswärtsfahrt nach Nürnberg

Der Derbytag beginnt wie er angenehmer nicht beginnen könnte: Mit einem deluxen Frühstück von unseren fabelhaften Nürnberger Gastgeberinnen* für die vier Fat Cats Spielerinnen* und zwei Supporter*. Auch ich, der als letzter aus dem Bett gekrochen kommt, erhascht noch warmen Kaffee und Brötchen. Nach diesem süßen Start in den Tag, teilt sich unsere Gruppe. Wir zwei Supporter* ziehen zum Tags zuvor mit dem Rest der Support-Crew ausgemachten Treffpunkt für eine Kneipenbegutachtung von innen, für die Spielerinnen* hingegen ruft nach einem kleinen Spaziergang bereits die Halle. Am Treffpunkt fehlen gleich mehrere Leute von uns, offenbar ist die andere Hälfte drauf und dran sich am Kulturprogramm der Stadt zu berauschen und muss daher absagen. Also sind es nur wir zwei und noch zwei weitere asoziale Preußen* (süß und niedlich), die sich zu viert auf den Weg machen in die von den Sucker Punch Ultras (SPU) empfohlene Gaststätte „Zentralhalle“, um die sich so manch Gerüchte und Mythen ranken. Eine davon besagt, dass die Jugend sich hier regelmäßig einen Spaß draus macht, beim Wirt Gummibärchen zu kaufen und diese im Anschluss direkt wieder zu reklamieren. Wobei hierin jedoch der Witz oder der Nutzen für pubertierende Nürnberger*innen besteht, erschließt sich uns bis heute nicht wirklich. Auf jeden Fall erfreuen sich SPU daran, diese „Begebenheit“ uns gegenüber immer wieder kichernd zu zitieren.

Als wir die Kneipe betreten ist es wohl irgendwas zwischen 12:30 Uhr und 13:00 Uhr. Wir wussten glaube ich selbst nicht ganz genau, was uns hier eigentlich erwarten sollte (woher auch?). Das, was wir nun sehen: Eckkneipen-Enterieur, ein schnurbärtiger Wirt mit geduckter Haltung, zwei graumelierte Gestalten am Tisch mit mehreren Bierflaschen. Ansonsten Leere. Achso, noch ein laufender Fernseher, auf dem Wintersport übertragen wird. Haben wir also mal eben so um – ja um wie viel Prozent jetzt nochmal die Besucher*innenzahl erhöht? – ach egal, sind auf jeden Fall jetzt etwa doppelt so viele wie vorher im Raum. Anonym können wir hier drin auf jeden Fall nicht bleiben, alle sechs Augen sind auf uns gerichtet. Vorsichtiges gegenseitiges Abtasten. Besonders von unserer Seite, dabei werden wir sogleich eingeladen am großen Tisch, dem einzigen an dem Menschen sitzen, Platz zu nehmen. Da sitzen wir Nürnberg Touristen* nun also, alle vier brav nebeneinander aufgereiht, gerade auf unseren Stühlen, etwas verloren und auf der anderen Seite des Tisches die beiden älteren Herren* und ihr Bier, die aussehen, als säßen sie hier schon eine ganze Weile länger. Als ich, der ganz links sitzt, nach rechts blicke, bemerke ich, dass sich hinter den Gesichtern der anderen gerade wohl in etwa die gleichen Fragen abzuspielen scheinen, wie bei mir, die wir aber natürlich alle für uns behalten – uns aber im Nachhinein gegenseitig bestätigen werden: Was wollten wir hier jetzt eigentlich nochmal genau? Wo sind wir hier gelandet? Und warum? Tja wir waren uns zwar recht sicher, dass SPU uns schon keine x-beliebige Kneipe, die irgendwas mit deutsch, Heimat oder Adler heißt, andrehen würden, aber trotzdem kurz mal Innehalten und die Lage checken mussten wir alle – wir, die sich ja schließlich auch nur lose untereinander kannten. Rollerderby hatte uns zusammengeführt und das war unser erstes gemeinsames Scrimmage-Warm-Up. Wenngleich jetzt schon ein legendäres mit Kultstatus, aber der Reihe nach:

Die beiden, die uns gegenüber sitzen, sind offenbar sehr erfreut mal neue Gesichter und Gesprächspartner* zu haben und lassen eine nachdenklich-angespannte Atmosphäre erst gar nicht aufkommen. Wir werden sogleich neugierig gefragt, woher wir kommen, warum wir hier sind und was wir hier so machen wollen, im schönen Nürnberg. Rollerderby! Hm noch nie gehört. Sie haltens eher mit dem „Glub“ – die „Glubberer“ haben nämlich, wie uns ausführlich berichtet wird, endlich mal wieder die Möglichkeit hoch in die 1. Liga zu gehen. Aber finden sie ja sehr spannend, Rollerderby. Abgefahren, so richtig auf Rollschuhen und dann mit Körperkontakt. Fetzt. Ist die Fahrbahn denn auch so schräge? Leider nein, aber so gut wir können, erklären wir alles, was wir vom Sport, dem wir unseren Support verschrieben haben, so wissen. Einer von uns hört zum ersten mal so breites Fränkisch und versucht sich seine Ahnungslosigkeit nicht anmerken zu lassen. Bloß nicht jeden zweiten Satz nachfragen, was gerade vom Stapel gelassen wurde. Mit leichtem Schwips geht der Schnack später dann aber schon leichter ins Ohr. Wir verwickeln die beiden in ein länger anhaltendes Aufklärungsgespräch, nach dem die beiden sicherlich nicht weniger wussten als vorher. Flyer übergeben wir persönlich. Diese danken es uns und staunen dabei nicht schlecht und durchaus anerkennend, dass wir dafür extra so eine lange Fahrt auf uns nehmen. Muss ein dolles Ding sein dieses Rollerderby.

Derweil schmeckt das Bier mehr als passabel und wir sind beim zweiten unlängst im Laden angekommen, unsere anfängliche Skepsis vollkommen verflogen. Wenig später kommt noch eine Frau* in die Bude und setzt sich zielsicher zwischen die Beiden, man kennt sich offenbar sehr gut. Sie bestellt ein Bier, von dem sie aber die ersten 20 Minuten gar keinen einzigen Schluck trinkt und sie redet auch kein einziges Wort – konsequent. Sie scheint in ihrer eigenen Welt unterwegs und dort glücklich zu sein, während die beiden anderen so langsam zu Höchstform auflaufen. Bald löst sich die Frontalsituation im Gruppengespräch auf und es ergeben sich hier und da Vieraugengespräche zwischen Nürnberg und Potsdam. Das dritte Bier wird bestellt, die Zeit vergeht wie im Fluge. Schallendes Gelächter hallt durch die Zentralhalle und die alte Jukebox darf auch mal wieder ein paar Hits spielen, einfach weil mensch das in Potsdam ja nirgends hat. Erst ein Anruf eines Support-Kollegens* reißt uns aus der Situation. Wann wir denn kommen würden, sie seien schon an der Halle. Ich stelle fest, wir hätten alle schon mehr als gut einen sitzen und dass es sicherlich noch etwas dauern würde. Dann frage ich in die Runde, aber gerade scheint es allen gut zu gehen, keiner macht Anstalten jetzt irgendwie aufbrechen zu wollen (wer hätte das am Anfang gedacht), also vertröste ich auf später und bestelle das vierte Bier. Irgendwer aus unser Runde hat nun die grandiose Idee Doppelkorn für alle zu bestellen. Puh. Weils so schön ist, trinken wir auf unsere Gesundheit und dann ist es tatsächlich soweit, wir müssen los, die Halle ruft. Es dauert etwas bis wir uns losmachen können und uns von den beiden verabschiedet haben, denn sie wünschen uns noch immer wieder viel Glück für das Spiel. Dass es eigentlich Scrimmage heißt, haben sie sich in der ganzen Aufregung wohl nicht merken können. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden.

Von Sid und Jo.

Dieser Beitrag wurde in Berichte veröffentlicht und getaggt , , , , . Ein Lesezeichen auf das Permalink. setzen.